Prägung
Mein Vater hat meine Sicht auf mich und die Welt geprägt. Trotz Diplom hat er sich selbst immer als Arbeiter und Teil der Mittelschicht angesehen. Dieses Bild hat er auch mir vermittelt. Auch ich war überzeugt, Teil der Arbeiterschicht zu sein. Während meines Studiums wurde uns Informatikern und Informatikerinnen immer wieder erzählt, dass wir überall gebraucht werden. Schnell kam das Gefühl auf, wir sind die wichtigsten Personen überhaupt in der Arbeitswelt, dementsprechend hoch sollte das Gehalt sein.
Wir und unser Weltbild werden geprägt. Das passiert in den unterschiedlichsten Gruppen: Familie, Schule, Freunde, Verein, Gemeinde und auch an der Arbeit. Die Sicht auf und unsere Welt wird beeinflusst. Wer sind wir? Zu welchen Gruppierungen gehören wir? Wie funktioniert unsere Gesellschaft? Wer hat das Sagen? Und viele Fragen mehr beantworten wir dadurch.
Das Buch „Die Schönheit der Differenz“ zeigt eine Betrachtung der „Gesellschaft“, die am Ende doch aus ganz vielen Individuen besteht. Jede und jeder mit seiner Geschichte und keiner passt in die eine Schublade. Ein gutes Beispiel ist die Autorin. Ihr Vater stammt aus Ghana, während ihre Mutter deutsch ist. Zudem war der Großvater Teil der SS. Eine ungewöhnliche Geschichte, die die Autorin auf einzigartige Weise geprägt hat.
Auch Gott prägt mich. Weil er meine Wünsche, Bedürfnisse und Mängel kennt, begegnet er mir genau dort. Er bringt Heilung, um das Gute zum Vorschein zu bringen (Jesus heilt die 10 Aussätzigen). Er stellt mich vor Herausforderungen, damit ich wachse (Esther). Letztendlich schenkt er Segen, damit mein Leben gelingt (Paulus). Gott hat mich in besonderer Weise die letzten Jahre geprägt. Er hat mich gelehrt, was es heißt zu warten, offen zu sein und durch ihn habe ich auch gelernt, Herausforderungen zu meistern. Ein Kollege hat mir die letzten anderthalb Jahre viele Probleme bereitet, indem er mir schwere Vorwürfe gemacht hat. Häufig war ich wütend oder traurig über diese Situation. Immer wenn ich nicht weiterwusste, wenn ich gefühlt vor einer Mauer stand, habe ich Menschen aus der Gemeinde geschrieben, ob sie bitte für mich und auch uns als Familie beten können. Auch diese Art von Beistand bedeutet Prägung, denn es vermittelt ein Miteinander auch in Herausausforderungen. Das werde ich und auch andere, die das erlebt haben, weitertragen.
Gott hat unsere Gemeinde auf diese Weise schon viele Jahre lang geprägt und das hat er gemeinsam mit uns gemacht. Wir prägen wiederum andere Menschen: unsere Kinder, Freunde, Geschwister der Gemeinde, Kollegen und Familie. Ähnlich wie ein Stempel ein Siegel formt. Oft bin ich mir gar nicht bewusst, welchen Einfluss ich auf andere Menschen habe. Gerade in der Gemeinde oder an der Arbeit schätze ich meinen persönlichen Einfluss als gering ein. Für wen sind meine Gedanken und Worte denn wichtig? Wer hört auf das, was ich sage? Auch wenn wir keine leitenden Ämter oder Positionen innehaben, sollten wir unsere Prägung auf andere Menschen nicht unterschätzen. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen treffen in unserer Gemeinde aufeinander. Wir lernen voneinander, helfen einander, begleiten einander, erweitern unsere Sicht, lernen Neues kennen, hinterfragen uns und auch andere. All das trägt zur Prägung bei