Zur Ruhe kommen
Auch wenn die Sommerferien in Thüringen zu Ende sind, sind wir doch noch mitten im Sommer. Nicht alle sind an die Sommerferien gebunden und für manche beginnt die erholsame Zeit vielleicht erst jetzt im August. Wenn der Sommer herannaht, kommt mir immer das altehrwürdige Wort „Sommerfrische“ in den Sinn. Es war früher sehr gebräuchlich und bedeutet die „Zeit, in der man die Arbeit ruhen lässt, sich an einen Ort mit angenehmem Klima begibt, und der Ort, an dem man sich erholt.“ Der Sommer ist dafür prädestiniert, sich eine Auszeit vom Arbeitsalltag zu nehmen, sich Zeit für sich zu nehmen und zur Ruhe zu kommen. Der Sommer bringt Sonne, Wärme, Leichtigkeit, Ausgelassenheit mit sich, die Sonnenstrahlen durchziehen den Himmel und die Erde und verstärken das faszinierende Farbenspiel der Natur. Für manche bedeutet Sommer Reisezeit, tatsächlich aufzubrechen in neue Gefilde. Andere schätzen die Heimat und genießen die Ruhe ihres Zuhauses und der Umgebung. Es kann inspirierend und erfüllend sein, Neues zu entdecken, neue Eindrücke zu gewinnen, und man kann dabei auftanken. Ich habe für mich erkannt, dass das nicht unbedingt bedeuten muss, irgendwohin zu verreisen, und schon viele Ferienzeiten in Thüringen verbracht. Im Laufe der Zeit habe ich meine Wohlfühlorte gefunden, zu denen ich immer wieder zurückkehre – insbesondere im Sommer –, aber ich entdecke auch immer wieder neue Orte, auch wenn ich schon seit vielen Jahren in Thüringen lebe. Aus meinen Beobachtungen und im Austausch mit anderen Menschen haben sich ähnliche Schlüsse ergeben, was uns Menschen zur Ruhe und Erholung führt. In besonderem Maße ist es die Natur und das eigene Aufgehen in der Natur. Wenn ich hinausgehe in die Natur, empfängt sie mich mit ihrem Reichtum und ihrer Schönheit und ich muss nur meine Sinne ganz auf sie richten, um das alles tief in mich aufzunehmen, Gottes Schöpfung auf mich wirken zu lassen. Die Psalmen künden von der Herrlichkeit der Schöpfung Gottes, wenn es zum Beispiel heißt: „Die Weiden sind saftig grün. Hier lässt er mich ruhig lagern. Er leitet mich zu kühlen Wasserstellen.“ (Psalm 23) oder „Von dem Bach, der zu deiner Freude rauscht, gibst du ihnen reichlich zu trinken. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens.“ (Psalm 36) Durch einen Wald zu gehen, den Duft der Bäume und Blumen einzuatmen, mich irgendwohin zu setzen und zu verweilen, den Schmetterlingen bei ihrem Tanz zuzusehen, dem Gesang der Vögel oder dem Sprudeln eines Bächleins oder einer anderen Wasserquelle zu lauschen und das kühle Nass mit den Händen zu berühren, führt mich in einen Zustand von Glückseligkeit und äußerer und innerer Ruhe. Das bedeutet für mich, das Leben in seiner ganzen Fülle zu schmecken, und das kann man überall, wo die Natur dazu einlädt. Zu meinen Wohlfühlorten gehören auch solche, deren Architektur auf mich eine besondere Wirkung ausübt. Eine große Kraft und Ruhe spüre ich zum Beispiel in gotischen oder romanischen Kirchen, in denen ich in der Geborgenheit der Mauern in die Stille eintauche, die Erhabenheit der Architektur auf mich wirken lasse und staune, was Menschen zu Ehren Gottes vollbracht haben.
Ich glaube, Gott will uns diese Momente der Ruhe schenken, um ganz bewusst in seine Gegenwart zu treten und mit ihm zu genießen – sei es durch die Natur, die Architektur, das Lesen eines guten Buches, das Hören schöner Musik, das Malen, das Tanzen oder welche Ausdrucksmöglichkeit auch immer für dich stimmig ist. Es sind Zeiten oder Momente von großer Kraft, die uns lange in Erinnerung bleiben und uns geistig nähren können. In ihnen können wir Gottes Nähe manchmal ganz besonders fühlen.