Salz der Erde und Licht der Welt
“Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.” Diese Verse schreibt Dietrich Bonhoeffer im Dezember 1944 aus seiner Gefängniszelle an seine Verlobte Maria. Was er nicht weiß, ist, dass das insgesamt sieben Strophen lange Gedicht, das ihm und seiner Verlobten Trost spendet, bis heute unzähligen Menschen zum Trost werden wird. Jedes Mal, wenn ich diese Zeilen lese oder mir eine musikalische Interpretation anhöre, fühle ich mich zutiefst angerührt. Angerührt von dem Gottvertrauen, der Hingabe und dem feinen Wesen, das sich durch die Zeilen ausdrückt.
Es ist fast auf den Tag genau 79 Jahre her, dass Dietrich Bonhoeffer vom Schreckensregime der Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Für mich ist er einer der Großen, Tapferen, Mutigen, die nicht anders konnten, als sich gegen dieses Regime zu stellen, ungeachtet der Konsequenzen für ihr eigenes Leben. Sein Name steht für den Freiheitskampf und für die Liebe zu seinen Mitmenschen und zu Gott. Die Beziehung zu Gott war Bonhoeffer von früh an wichtig. Durch seine Mutter Paula und seine Erzieherinnen Käthe und Maria Horn wächst der 1906 geborene Sohn aus großbürgerlichem Hause mit einem lebendigen Glauben auf und christliche Werte wie Selbstlosigkeit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft sind wichtige Elemente der Familienkultur. Das spätere Theologiestudium besteht er mit Bravour, aber erst während eines Auslandsjahres 1930/31 in den USA wird ihm bewusst, wie verkopft das geistliche Leben in seiner Heimat ist. In der Abyssinian Baptist Church in Harlem, New York, durchlebt er eine große innere Veränderung und Vertiefung seines Wesens. Er ist beeindruckt von dem dortigen Pastor Dr. Powell, dem Sohn ehemaliger Sklaven, der in seinen Predigten das Evangelium mit Leben erfüllt, singt mit den African Americans die lebendige Musik der Spirituals und erfährt von den Menschen hautnah, wie der Glaube sie durch ihre oft schwierigen Lebensumstände trägt. Auch ist er geschockt von dem Rassismus, der von der weißen Bevölkerung ausgeht, und kann sich Ähnliches in Deutschland zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen. In dieser Zeit in den USA bekommt die Bergpredigt Jesu eine zentrale Bedeutung für Bonhoeffers weiteres Leben. Von diesem Moment an wird die Hingabe an Gott, wohin diese auch führen mag, das, was ihn leitet.
Zurück in Deutschland spitzt sich die politische Lage langsam, aber sicher zu. Die Kirche muss sich positionieren und spaltet sich. Bonhoeffer wird Teil der Bekennenden Kirche und zum Leiter eines ihrer fünf Seminare. Zunächst in Zingst an der Ostsee, dann in Finkenwalde bildet er ab 1935 Pfarramtskandidaten aus. Hier lebt er mit seinen dreiundzwanzig Schülern ein bruderschaftliches Leben als Jünger Jesu und strebt nach einer inneren Erneuerung des Pfarrerstandes. Gebet, Andachten, Gesang, Bibellesen und Stille prägen diese Jahre ebenso wie ausgelassene Fußballspiele oder Hauskonzerte am Flügel. Als 1937 immer mehr Pfarrer der Bekennenden Kirche inhaftiert werden, das Priesterseminar geschlossen wird und Bonhoeffer schließlich der Wehrdienst droht, macht er sich noch einmal auf nach Amerika. Doch fast unmittelbar nach seiner Ankunft wird ihm bewusst, dass es falsch wäre, dort zu bleiben, und dass er im Innersten fühlt, dass er bei seinen Brüdern und Schwestern in Deutschland sein muss. Für ihn steht fest, dass er helfen muss, wo immer nötig, um gegen die Raserei vorzugehen, die in Deutschland wütet. Er kehrt nach Deutschland zurück und schließt sich seinem Bruder Klaus und seinem Schwager Hans von Dohnanyi im Widerstand an. In diesen schwierigen Zeiten findet er seine große Liebe in Maria von Wedemeyer, mit der er sich verlobt. Als er 1943 inhaftiert wird, sind es mit Sicherheit auch seine Familie und Maria, die ihm Kraft geben. Aber es ist vor allem seine Beziehung zu Gott, die ihn trägt und ihn zum Anziehungspunkt für Mithäftlinge und Wärter gleichermaßen macht, die seine Nähe und sein Wort suchen.
Bis heute hat dieses Wort nichts an Strahlkraft verloren, dessen Essenz für mich in den letzten beiden Versen seines Gedichtes liegt: “Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.”